Die Coronakrise ist die fünfte grosse Weltwirtschaftskrise des letzten Vierteljahrhunderts. Von Florian Agarwalla, SwissThree.
Die Serie begann 1997/98 mit der Asien- und Russlandkrise und dem Beinahezusammenbruch des Hedgefonds LTCM. Es folgten 2000/01 das Platzen der Dotcom-Blase, verstärkt durch 9/11, und der Angriff auf die Twin Towers in New York. Im Jahr 2008 löste der Konkurs von Lehman die grösste Finanzmarktkrise der Nachkriegszeit aus. Indirekt führte dies zur Eurokrise 2011/12, die Mario Draghi mit seiner berühmten "Whatever it Takes" Erklärung einbezog.
Im Gegensatz zu den vorangegangenen Krisen wurde die Coronakrise nicht durch den Finanzsektor ausgelöst, sondern das Coronavirus generierte die erste „Stay at Home“-Rezession. Dazu kommt der Preiskrieg an den Ölmärkten zwischen Saudi-Arabien, Russland und den USA, der zu einem historisch einmaligen Preisverfall aller Rohölsorten führte. In der Folge wird der ökonomische Einbruch diesmal größer 2 ausfallen als in allen vorhergehenden Krisen, weil ein Großteil der Produktion und des Konsums entfällt und der Kampf gegen das Virus auch den gesamten Service-Sektor zum Stillstand bringt. Wir befinden uns angesichts einer globalen Pandemie mitten in einer tiefen globalen Rezession. Angesichts einer solchen, vorher nie erlebten Situation ist es nicht überraschend, dass das erste Quartal 2020, insbesondere der März, auch an den Kapitalmärkten wegen einer kompletten Verunsicherung der Anleger einmalig war. Noch nie wurden Risikoassets so schnell so stark abverkauft wie jetzt, noch nie waren die Anleger so panisch und noch nie war die Volatilität in allen Assetklassen so hoch. Positiv für die weitere Entwicklung ist festzustellen, dass diese Pandemie nicht durch den Finanzsektor, die Wirtschaft oder den Kapitalismus aufgrund ihrer Fehlfunktionen erzeugt wurde. Daher ist die Krise nicht durch ideologische Konflikte, die Suche nach dem Schuldigen und Grabenkämpfe zwischen Politik, Zentralbanken, Banken und Unternehmen überlagert. Aus diesem Grund wurden so schnell wie noch nie zuvor bei einem ökonomischen Schock von allen Beteiligten Gegenmaßnahmen zur Eindämmung der Krise.Wegen der extremen Unsicherheit über den Fortgang der Coronakrise ist der Ausblick für die Kapitalmärkte ungewöhnlich unklar. Einerseits ist völlig sicher, dass wir uns in der größten globalen Rezession der Nachkriegszeit befinden. Als Nachweis gibt es zwar noch keine belastbaren ökonomischen Daten, weil die bisherigen Veröffentlichungen noch aus dem Februar oder Anfang März stammen und damit die Folgen der Corona-Krise noch nicht vollständig erfasst haben. Aktuellere Daten werden in den nächsten Wochen das Ausmass des Desasters deutlich machen. Es ist auch klar, dass diese schwere Krise noch eine ganze Zeit lang andauern wird. Andererseits wissen alle, dass die Geld- und Fiskalpolitik im Hintergrund einen starken ökonomischen Impuls senden, der nach einer gewissen Zeit einen starken Aufschwung generieren wird. Der Konjunkturverlauf folgt damit sozusagen einem „U“, nur das Timing dieser Entwicklung ist noch völlig unklar. Die Kapitalmärkte versuchen, auf die ersten Anzeichen einer Stabilisierung hin über die Rezession hinwegzusehen und den erwarteten Aufschwung frühzeitig zu einzupreisen. Letztlich sind das aber alles Entscheidungen unter extremer Unsicherheit. Man kann für Timing-Entscheidungen lediglich einen Blick auf 3 die letzten Krisen werfen, um eine Vorstellung zu entwickeln, wie die Märkte diese Krise spielen könnten, aber das ist nicht unproblematisch, da wir es bei der Coronakrise mit einer völlig neuen Situation zu tun haben. Es ist festzuhalten, dass in Zeiten einer tiefen Rezession die Aktienmärkte in der Regel deutlich mehr gefallen sind, als es bisher in der Coronakrise der Fall war. Die Bärenmärkte dauerten auch deutlich länger als nur zwei, drei Monate, und es dauerte im Durchschnitt deutlich länger, bis man zur Normalität zurückkehrte. Das Risiko eines neuerlichen Einbruchs am Aktienmarkt ist daher immer noch relativ hoch. Zusätzlich ist festzustellen, dass sich in der gegenwärtigen Krise die Sünden der Vergangenheit rächen. Erstens war offensichtlich kein Land mit wirklichen Notstandsplänen auf eine solche Pandemie vorbereitet, was ein schlechtes Licht auf die staatliche Planung wirft und die dann erforderlichen Massnahmen als ziemlich panisch getroffen erscheinen lässt. Dies ist nicht gerade vertrauensfördernd. Ausserdem hat sich seit der Finanzmarktkrise 2008 das Marktvolumen der Staatsanleihen global verdoppelt. Diese hohe Staatsverschuldung engt nun für viele Länder den Spielraum des Handelns ein und überlastet die Zentralbanken, weil sie der einzig wirklich flexible Akteur sind. Im Auge behalten muss man die „Weak Links“ der Kapitalmärkte. Wegen der Schwäche der Ölmärkte sind insbesondere viele Länder in den Emerging Markets, speziell in Afrika, akut gefährdet, weil sie häufig auch durch eine hohe Verschuldung in USD und ein schlechtes Gesundheitssystem in diesen Zeiten besonders anfällig sind und zusätzlich Kapitalabflüsse drohen. Trotz der grossen Unsicherheit auf kurze Sicht ist aber festzuhalten, dass die teils deutlich ermässigten Bewertungsniveaus einiger Risikoanlagen attraktive Einstiegsniveaus für Investoren mit mittel- bis langfristiger Perspektive bieten. Zusammenfassend ist zu betonen, dass man sich nicht verrückt lassen machen soll. Als Investor muss man langfristig im Sinne strategischer Asset Allokation denken und sich nicht an kurzfristigen Entwicklungen und Jahresprognosen ausrichten. Ein wohldiversifiziertes, strategisches Portfolio umfasst Anleihen (und vielleicht auch Gold) wegen des Stabilitätscharakters und Aktien, weil sie mittlerweile moderat bewertet sind und von den Zentralbankpolitik unterstützt werden.